von Folker Lück

Wie viel Prestige muss sein?

Ja, ich gestehe! Ich nenne ein iPhone 3GS mein Eigen! Ich nutze dieses Smartphone jeden Tag und ich bin ziemlich zufrieden damit. Das Gerät ist demnächst drei Jahre alt, es funktioniert anstandslos. Natürlich lebe ich nicht hinter dem Mond und ich habe mitbekommen, dass in wenigen Wochen bereits das iPhone 5 erscheinen wird. Ich habe also quasi eine ganze iPhone-Generation nicht miterlebt. Das finde ich aber nicht im Geringsten schlimm! Ich schlafe gut, ich esse gut und ich fühle mich prima. Herr Doktor, mir fehlt nichts!

Meine Umwelt hat mit meinem nicht mehr ganz neuen Smartphone allerdings zunehmend ein Problem: Sowohl im Freundeskreis, als auch auf Geschäftsterminen habe ich nun schon mehrfach ein leises Raunen vernommen: „Oh, das ist ja noch das alte Modell!“ Einmal hieß es auch schon: „Oh, das ist ja das GANZ ALTE Modell!“ Im ersten Augenblick hört sich das nicht böse an – ein wenig abwertend ist es aber schon. Natürlich würde niemand am Rande einer geschäftlichen Besprechung so etwas anmerken wie „Hm, wohl in letzter Zeit nicht ganz so erfolgreich gewesen, was?“. Doch unterschwellig höre ich genau das doch manchmal heraus.

Na klar, etwas Prestige muss sein. Man trifft sich ja auch nicht mit Geschäftspartnern und zieht zum Meeting eine alte Jogginghose an. Aber läuft man dem geschäftlichen Erfolg wirklich hinterher, wenn man nicht stets das Neueste besitzt? Kürzlich fiel mir die Zeitungsanzeige eines großen Automobilherstellers auf, der ein Leasingangebot für sein jüngstes Modell unterbreitete. Das schicke Fahrzeug sollte man über drei Jahre für 299 Euro im Monat leasen können. Allerdings beinhaltete das Angebot nur eine Fahrleistung von 7.500 Kilometern im Jahr – für die meisten Autofahrer ein viel zu niedriger Wert. Allerdings: Man besitzt dann das neueste Modell! Die Nachbarn werden beeindruckt sein! Die Arbeitskollegen werden neidisch sein! Es wird schon niemand merken, dass man den Wagen per Pedes hin- und herschieben muss, weil  man die vertraglich vereinbarte Fahrleistung sonst überschreiten würde.
 

Will sagen: Der Industrie ist es natürlich recht, wenn man stets der neuesten Mode hinterherläuft. Etwas Augenmaß ist dabei aber wichtig. Man sollte im Blick behalten, welche Investition wirklich klug ist – und welche Anschaffung überflüssig ist wie ein Kropf. Produkte und Lösungen, die den Arbeitsfluss spürbar verbessern, die unser Arbeiten erleichtern oder beschleunigen sind meist sinnvoll. Ein Unternehmen, das heute noch immer die gleiche Datenleitung wie vor einem Jahrzehnt nutzt, verplempert höchstwahrscheinlich jede Menge Arbeitszeit, weil die Mitarbeiter auf E-Mails oder andere Informationen warten, die eigentlich in wenigen Sekunden vor Ort sein könnten.


Mit dem stets allerneuesten Edel-Smartphone oder der aktuellsten Luxuskarosse streichelt man vielleicht sein Ego. Sinnvoll sind solche Anschaffungen hingegen nur selten, schon gar nicht für den Geschäftsalltag. Im Gegenteil: Unversehens vermittelt man mit dem stets allerneusten Produkt seinen Kunden, dass man zu nachhaltigem Denken und Handeln nicht in der Lage ist. Einer Bank, die jedes Jahr einen neuen Büropalast baut und dafür stets die besten Möbel anschafft, würde man schließlich auch nicht gerne sein Geld anvertrauen.

Auch ein neues Handy kostet nicht nur viel Geld, sondern es verbraucht auch Ressourcen. Ein neues Auto erst recht. Ein zwei Jahre altes Smartphone ist nicht wirklich alt, ein zweijähriges Auto schon gar nicht. Wenn man einfach mal in Ruhe darüber nachdenkt und nicht auf die Werbung hört, dann ist man mit dem Smartphone vielleicht doch noch eine ganze Weile länger glücklich. Und vielleicht stellt man beim Nachdenken sogar fest, dass man ein neues Auto gar nicht mehr braucht. Weil man eh’ nur 7.500 Kilometer im Jahr damit fährt und deshalb Carsharing wesentlich sinnvoller ist.


((Bildquelle: Harald Wanetschka  / pixelio.de))

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